15 Jahre Hartz IV in Pandemiezeiten: Redebeitrag von Bodo Urbat/Essen steht AUF für die Essener Montagsdemo am 2.11.20
Dabei sind gerade Hartz-IV-Bezieher besonders von den Auswirkungen der Pandemie und der Lockdowns betroffen. Lebensmittel sind auf breiter Front teurer geworden, Zusatzausgaben für Hygieneartikel wie Masken und Desinfektionsmitteln werden nicht berücksichtigt, die Tafeln, von 1,5 Mio. Menschen genutzt, waren teils wochen- bzw. monatelang geschlossen. Durch die monatelangen Schulschließungen entfiel für viele Familien das günstige Schulessen für die Kinder usw. In den letzten 10 Jahren hat sich die Differenz zwischen offizieller statistischer Armutsgrenze und dem, was ein von Hartz IV abhängiger Mensch erhält von 192 auf 265 € vergrößert. Der Paritätische hat einen Mindestregelsatz von 644 € errechnet, was wenigstens die Lücke zur offiziellen Armutsgrenze schließen würde.
Montagsdemo und Sozialverbände forderten gleich zu Beginn der Pandemie einen dauerhaften Zuschlag zum Regelsatz von 100 €. Aktuell fordert ver.di 150 € mehr für jeden Lockdown-Monat. Doch das wird von der Bundesregierung und insbesondere dem SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil völlig ignoriert und aus den Medien verbannt. Stattdessen brüsten sie sich mit der geplanten Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes um 14 € zum 1.1.2021.
Aktuell erhält ein alleinstehender Erwachsener 432 Euro. Dieses Budget muss für einen Monat für den kompletten Konsum reichen. Rechnerisch sind dabei für die Ernährung 150 Euro vorgesehen. Dies entspricht etwa 5 Euro für alle Mahlzeiten am Tag.
Die geplanten Erhöhungen ab 1.1.2021 sind ein Witz. Die Sätze für Erwachsene steigen lediglich um 14 Euro monatlich für Alleinstehende. Bei denen, die mit einem anderen bedürftigen Erwachsenen zusammenleben, beträgt die Erhöhung lediglich 12 Euro. Kinder bis zu 5 Jahren erhalten 33 Euro mehr monatlich, Jugendliche bis einschließlich 16 Jahre 45 Euro mehr. Geradezu empörend niedrig die Erhöhung für Kinder zwischen 6 und 13 Jahren an, bei denen sie lediglich 1 Euro monatlich beträgt.
Soziale Teilhabe wird den Menschen im Hartz-IV-Bezug bei der Berechnung des Regelsatzes ganz bewusst verweigert. Viele Ausgaben deklariert die Regierung schlicht als nicht „regelbedarfsrelevant“, wie der Paritätische feststellt:“…keine Blumen, keine Reisen, keine Haustiere – um einige Beispiele zu nennen. Allein durch dieses Vorgehen kürzt die Regierung den Regelsatz um etwa 160 Euro.“
Mit Mühe und Not hat man sich jetzt dazu durchgerungen, die Kosten für eine Handynutzung als gesellschaftlich normal und damit „regelbedarfsrelevant“ einzustufen.
Völlig zu Recht betont deshalb ein Vertreter des Paritätischen Gesamtverbandes:
„Hartz IV bedeutet damit konkret Armut, eine mangelhafte Ernährung sowie Vereinsamung und soziale Isolation.“ Das heißt: Wer im Hartz-Bezug steckt, der lebte auch ohne Pandemie schon unter Lockdown-ähnlichen Bedingungen.
Ein Armutszeugnis für dieses kapitalistische System, das große Teile seiner wichtigsten Ressource mutwillig verkommen lässt. Sofortforderungen sind da nur ein Tropfen auf den heißen Stein und werden das Problem nicht lösen. Trotzdem ist der Kampf darum wichtig. Neben der Akutforderung nach dauerhaften Aufstockung der Regelsätze um mindestens 100 € unterstreicht diese Entwicklung vor allem eines: Hartz IV muss weg! Unbegrenzte Zahlung von Arbeitslosengeld für alle Arbeitslosen!
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