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ESSEN: Nur noch AfD- und Erdoğan-Wähler im Ruhrgebiet?

Die Aufbaugruppe Katernberg-Karnap der MLPD schreibt:
ESSEN: Nur noch AfD- und Erdoğan-Wähler im Ruhrgebiet?

Am Katernberger Markt (foto: Smiley.toerist (CC BY-SA 4.0))

Wenn man in den letzten Wochen die bürgerlichen Medien verfolgt, könnte man meinen, das Ruhrgebiet sei ein Hort der Reaktion. Angeblich gibt es im Essener Norden fast nur noch AfD-Wähler und die türkischen Kolleginnen und Kollegen hätten in der Mehrheit Erdoğan gewählt.

Wenn man hinter die Kulissen blickt, sieht es schon anders aus. So haben unter 20 Prozent der türkischstämmigen Menschen in Deutschland Erdoğan gewählt: Die Hälfte hat keinen türkischen Pass und durfte nicht wählen und von denen mit Wahlberechtigung in der Türkei ist die Hälfte gar nicht wählen gegangen. Von den Wahlberechtigten wählten also auch nur etwa 33 Prozent Erdoğan. Im Ruhrgebiet waren es etwas mehr, nirgends wählte aber eine Mehrheit der Wahlberechtigten Erdoğan!

Zweifellos: Es sind zu viele, die der faschistoiden bzw. faschistischen Demagogie von AfD oder Erdoğan aufsitzen. Das ist eine Folge davon, dass international eine faschistische Tendenz von imperialistischen Regierungen und ihren Monopolen ausgeht. Die Meinung(-smanipulation) der Herrschenden prägt natürlich auch die herrschende Meinung. Um damit fertig zu werden muss ein massenhafter Kampf um die Denkweise geführt werden. Ein Grund für Skepsis in die Massen oder gar die Fehleinschätzung, die Arbeiterbevölkerung des Ruhrgebiets würde sich reaktionär entwickeln, ist allerdings fehl am Platze!

Wäre das zu beweisen gewesen, so wäre unser Infostand am 3. Juni dafür geeignet. Wir erlebten, dass sich die Wut und Ent-Täuschung über noch vorhandene Illusionen in SPD oder Grüne auch fortschrittliche Wege zur MLPD Bahn bricht. Es gibt eine zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft, die wir entfalten und nutzen müssen. Man muss dazu sagen, dass die MLPD seit einigen Jahren fast durchgehend am ersten Samstag im Monat in Katernberg ihren Infostand macht und deshalb der dortigen Bevölkerung bekannt ist. Katernberg ist ein sehr armer Stadtteil im Essener Norden, der von der bürgerlichen Politik abgeschrieben wurde: mit einem hohen Anteil von Flüchtlingen, keinem Krankenhaus mehr, viel Armut usw.

Wir verkauften an diesem Infostand in anderthalb Stunden zwölf Rote Fahne Magazine zum Thema Inflation, zusätzlich eine Broschüre zum Ukrainekrieg und zwei Parteiprogramme. Dazu kamen einige Probeexemplare alter Ausgaben, die wir zum Kennenlernen abgaben. Wir haben auch damit angesprochen, dass es im Sozialismus keine Inflation geben wird und Faltblätter zum echten Sozialismus eingesetzt. So trug zu unserem überzeugenden Auftreten bei, dass wir nicht nur anprangerten, sondern mit dem Sozialismus eine Alternative deutlich machten und mit Inhalt füllten.

Ein einfacher Arbeiter meinte, die Inflation zu überwinden reiche nicht, man müsse das ganze System ändern, was eine interessante Sozialismus-Diskussion mit sich brachte. Gerade bei jüngeren spielt auch die Angst vor Krieg und Zerstörung der natürlichen Umwelt eine wichtige Rolle. Wir hatten uns außerdem vorgenommen, die schon etwas ältere Broschüre gegen die AfD massenhaft einzusetzen. Das war genau richtig, statt dieses Thema auszublenden.

So gab es eine Reihe Leute, die uns regelrecht dankbar waren, dass wir ihnen Argumente geben und den Mut haben, die Demagogie, die durch die bürgerlichen Medien wabert, anzugreifen. 20 dieser Broschüren gingen unter die Leute. Eine Migrantin gab zwei Euro Spenden für die Broschüre. Sie ist ausgebildete Erzieherin, bekommt aber hier keinen Job! Ein kleiner libanesischer Junge, der schon mal angemacht worden war, dies sei nicht sein Land und er solle in seine Heimat zurück verschwinden, kramte 1,20 Euro von seinem Taschengeld dafür hervor.

Es gab natürlich auch Leute, die sagten, dass sie jetzt die AfD wählten und dies als Protest verstanden. Mit den meisten von ihnen konnte man aber diskutieren und zum Teil gelang es, die Stimmung zu kippen oder zumindest ein Nachdenken zu erreichen.

Für uns war der Stand ein gutes Beispiel dafür, dass man einer gesellschaftlichen Polarisierung auf keinen Fall ausweichen, die Augen davor verschließen oder mit Skepsis in die Massen begegnen sollte. Im direkten Kampf um die Denkweise unter den Arbeitern und den Massen ist die proletarische Denkweise der kleinbürgerlichen überlegen. Das soll nicht die Kompliziertheit der gesellschaftlichen Verwirrung herunterspielen, die man natürlich nicht mit einem Infostand auflöst. Aber die verstärkte Regierungskrise macht die Menschen offener und interessiert an grundsätzlichen Alternativen.

Auch das Frühlingswetter trug zu unserem erfolgreichen Infostand bei. Wir wünschen auch anderen Gruppen viel Erfolg und freuen uns auf eure Berichte! Glück AUF!

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